#Weltbienentag: Staatsbesuch mit Kids

Alltagsphantasien anregen, Märchen variieren, ein leeres Haus erkunden, ökologische Zusammenhänge erfassen: Wie Schulen und Kindergärten sich dem Thema Biene widmen

Mein Artikel zum Weltbienentag am 20. Mai 2021, erschienen in der taz, Fotos von Marie Fröhlich/ Stadtbienen

„Für Kinder ist das eine ganz eindrückliche Erfahrung, wenn da ein Bienenstand steht, der riecht und vielleicht noch warm ist. Das ist, als ob man ein leeres Haus betritt, und das ist ja auch total spannend. Und dann fühlt man mit dem Finger eine Wabe, die leicht bricht, kann etwas süßen Honig kosten, und dabei spürt man dieses Leben, das darin stattfindet – und es ändert sich etwas. Es ändert sich die Sicht auf diese Tiere und somit auch die Beziehung zur Umwelt.“ Wenn Marco Elischer, Pädagoge bei proBiene aus Stuttgart, von seinen Erfahrungen mit „Biene zu Besuch“ aus Kitas und Grundschulen erzählt, dann riecht man förmlich den Wachs und hört das Summen der Bienen. Das ist das große Geheimnis oder die Chance, die in der Biene als Botschafterin für Umweltthemen in Kindergärten und Schulen steckt: Lernen mit allen Sinnen.

Kinder sind als forschendes Ich offener und neugieriger als Erwachsene, jetzt machen sie die prägenden Erfahrungen ihres Lebens und erleben sich selbst als wirksam und bedeutend, auch wenn es um die Möglichkeiten geht, zu einem nachhaltigen Leben beizutragen. „Besonders passend ist das Konzept der Alltagsfantasien in Kindertageseinrichtungen. Kinder sind mitten im Erlernen der Metaphern und Symbole ihrer Gesellschaft. Die Kita kann ein Ort sein, an dem sie ihre Beziehung zur Umwelt entdecken und weiterentwickeln“, sagt Elischer. ProBiene, das Freie Institut für ökologische Bienenhaltung, arbeitet mit einem Methodenkoffer, der je nach Altersgruppe und Gruppengröße verschiedene Materialien, Ideen und Anleitungen enthält, aus denen sich Päd­ago­g*in­nen das für sie Passende aussuchen können, um die Biene kennenzulernen.

Bei „Biene zu Besuch“ kommt Elischer für 90 Minuten in die Einrichtung und bringt den Kindern über einen ästhetischen und kreativen Ansatz das Leben der Biene näher, den imkerlichen Part übernimmt proBiene-Gründer Tobias Miltenberger. Da werden dann etwa Wachskerzen gerollt, es wird das umgeschriebene Märchen „Die Bienenkönigin“ vorgelesen oder ein Spiel gespielt, bei dem die Kinder die Rollen der Bienen in einem Bienenstock ausprobieren können – und so erfahren sie spielerisch, was eine Gruppe ausmachen kann. Die Kleinen lernen die Biene über die Methodenbroschüre „Das Bienenjahr mit Kindern gestalten“ und Ausmalbilder kennen. Mit den Größeren geht es auch mal in den Supermarkt für eine übergeordnete ökologische Perspektive, welche Produkte es ohne die Biene gar nicht geben würde. „Wussten Sie zum Beispiel“, fragt Elischer, „dass manche Gummibärchen für den Glanz mit Bienenwachs überzogen werden?“ Abgerundet wird all das durch einen Besuch bei den Bienen selbst – oder mit dem Aufbau eines eigenen Bienenstandes auf dem Gelände der Einrichtung. „Denn die Bienen wirklich wahrzunehmen, ist am Ende immer elementar für die Erfahrung“, so der Bienenpädagoge.

Neben den Broschüren und Bildern von proBiene, dem Bienenkoffer von Deutschland summt! von der Stiftung Mensch und Umwelt, den es als Version für den Kindergarten und für die Schule gibt, und der etwa mit einer Schaukugel mit Bienenwabe, einem Schaukasten mit Bienenprodukten und Honigbienen, mit Lupen oder Blüten bestückt ist, gibt es zum Beispiel auch die „Biene und Bil­dung“-Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufen I und II der Aurelia Stiftung für den theoretischen Hintergrund. „Am schönsten ist es aber, zu den Bienen zu gehen und vor Ort dieses Fühlen und Schmecken und dieses Erleben zu haben. Fast überall findet sich dafür auch regio­nal eine Imkerin oder ein Imker, die mit den Kindern an den Bienenstand geht“, sagt Elischer. Der Verein Mellifera etwa bringt auch mit dem Programm „Bienen machen Schule“ Päd­ago­g*in­nen und Im­ke­r*in­nen zusammen, die im Kindergarten oder Schulunterricht und anderen pädagogischen Einrichtungen sowie im Imkerverein Bildung mit Bienen machen.

Gerade jetzt im Mai fliegen die neuen Bienenvölker in ihre Beuten auf fünf Schulstandorten in Berlin, die von den „Stadtbienen“ im Rahmen des Umweltbildungsprogramms „Kita- und Schulbienen“ betreut werden. Päd­ago­g*in­nen haben Imkerkurse besucht und werden vor allem in der Anfangsphase im Umgang mit den Bienen noch von Im­ke­r*in­nen betreut. Und nach den Sommerferien starten dann die Bienen-AGs, in denen die Kinder Imkern und mit den Bienen wichtige ökologische Zusammenhänge lernen können. Projektleiterin Julia Eisenberg von Stadtbienen erklärt: „Das Programm ist so angelegt, dass wir die Kinder zu phänomenologischen Beobachtungen anleiten. So setzen sie sich mit ihrer Umwelt auseinander und finden Zugang zum Bienenkosmos, den sie jetzt neu entdecken, erforschen und somit immer besser verstehen. Das hat viel mit Wertschätzung und Achtsamkeit für die Natur zu tun – und das geht auch mitten in der Stadt.“

Zwischen Blues und Weltuntergang

Was waren das für Wochen! #lockdownlight (haha!) im November 2020, #lockdown2 seit 16. Dezember 2020, und jetzt die neue Phase in der 11. Woche Lockdown (!!!!) mit zaghaften Schulöffnungen. Mein kleiner Sohn geht für drei Schulstunden täglich wieder in seine Schule, die große Tochter darf noch nicht. Und während es erst Tag 61 oder so war, der sich wie Tag 3927262344 anfühlte, kam der Schnee und ging der Winter, kam die Sonne und blieb der Blues. Oder die Weltuntergangsstimmung, je nach Wetter- und Stimmungslage. Dabei gab es auch gute Momente, natürlich, die gab es: Wenn ein Interview geschafft war, ohne dass die Kinder zwischendurch das tausendste Schinkenbrot haben wollten. Wenn ich bis spät nachts Artikel fertig schrieb, weil es tagsüber wegen Homeschooling und Kinderbetreuung nicht geklappt hatte, und ich mich fast wie in ganz alten Zeiten fühlte, ohne Kinder, ohne Corona, ohne Lockdown. Nur ich und die Nacht und der Text und die Zufriedenheit, wenn ein Wort sich dem anderen anschloss und am Ende da ein guter Satz stand. Oder eher viele davon. Voll im Fluss. Oder die täglichen Spaziergänge, mal mittags, mal nachmittags, manchmal spät am Abend, darüber die Sterne am Berliner Himmel, die mir so lange schon nicht mehr so klar und deutlich schienen. Wenn die Marktfrau gute Laune hatte und wir ein kurzes Pläuschchen hielten, wenn der Zeitungsmann den Laden zumachte und einfach so lächelte, weil wir uns inzwischen öfter sehen (Zeitung, Päckchen, Zeitung, Päckchen). Wenn die Energie da war, trotz wenig Schlaf und Corona-Schwere in der Nacht. Wenn die Familie abends bei „Alf“ oder „Nanny“ wieder in Eintracht auf dem Sofa saß. Wenn die unterschiedlichen Meinungen mit Freund*innen und Bekannten zu Impfen oder Nicht-Impfen, zu entweder „übertriebenen“ Maßnahmen oder „riskanten“ Öffnungen und generell #Corona mal kurz vergessen waren und es sowas wie Normalität gab. Bis einem wieder einfiel: Normalität muss neu geschrieben, neu gefunden werden. Jeden Tag. Und so passte mal das eine, mal das andere Lied besser zu der Stimmung in diesen letzten elf Wochen. Mal war es mehr Blues, mal aber auch Weltuntergang. Und was kommt wohl als Nächstes?

Alone again – ach nee

Es war kurz vorm zweiten Lockdown, an einem Montag. Es war, als raunte man überall von ihm: in der Schule, auf Twitter, überall, wo Menschen zusammenkamen. Und wenn es virtuell war. Die Zahlen gingen zu hoch, die Sorgen wuchsen zu sehr. „Bald ist er da, der Lockdown“, stand es überall geschrieben. Und wenn es im Kopf war.

Ein Gespräch über den Tod und die Trauer tat sein Übriges. Erinnerungen an meinen Vater kamen hoch, Erinnerungen an seine letzten Monate, an den Abschied, an die Zeit danach. Es war traurig – aber es war auch wichtig. Denn wie selten ist im Alltag die Zeit da für diese Momente, diese Erinnerungen.

Und dann fuhr ich im Auto, Laune im Keller, und dann kam dieses Lied. Das mich volle Pulle in die 90er zurück katapultierte, als die 80er ihr erstes Revival erlebten und ich in mich versunken irgendwo in einer Disco in Solingen all meine Teenagergefühle aus mir raus tanzte. Ich hatte es vergessen, aber dann war es wieder da. Dieses Lied. Und ich drehte auf und sang aus vollem Hals mit: „Alone again! Da da da da da da da da daaaaa, uuuh ooooh alone again, da da da da da da da daaaaa!“* Und alles war wieder gut. Für diesen Moment und viele, die danach noch kommen würden.

*Von wegen „Alone again“, der Song heißt „Enola Gay“, aber mein Verhörer passte in dem Moment: Zum Lockdown, zur Erinnerung, zur Trauer. Danke OMD.

Lieder für das Jetzt: Der Soundtrack des Shutdown

9. Woche. Und eine neue Etappe in diesen Coronazeiten. Die Schule in Berlin ist wieder (ein bisschen) auf, die Kita lässt auch die Vorschulkinder in die Notbetreuung und es gibt noch so einige andere Lockerungen. Gut – und irgendwie auch komisch. Mir geht das zu schnell, gerade war doch noch alles leer auf den Straßen und die Angst vor Corona steckte in den Köpfen und machte die Menschen langsamer. Jetzt fahren so viele wieder im alten Tempo in ein quasi ’normales‘ Leben – und hoffentlich nicht alle gegen die Wand. Es scheint, als spalte sich die Gesellschaft grob in zwei Corona-Lager: die der Zweifelnden und die der Vorsichtigen. Und so viel liegt dazwischen. Von mehr Solidarität und Miteinander ist nur noch wenig zu spüren.

Und so erscheinen diese letzten acht Wochen des Lockdowns noch mal in einem anderen Licht. Als alle gleichzeitig Zuhause waren und neue und besondere Formate und Momente entstanden – viele davon aus der Not heraus. Als sich Künstlerinnen und Künstler online getroffen haben und jede/r für sich aber alle zusammen Musik gemacht haben – oder getanzt haben. Von Mad World über Romeo und Julia bis Times Like These, von ans Herz gehend über ohrwurmig bis uplifting – hier kommt der Soundtrack des Shutdown, meist im Splitscreen:

„What The World Needs Now – for Virtual Orchestra“ gefunden bei Okka Road:

„True Colors – Camden Voices“:

Der großartige Jimmy Fallon hat seine Tonight Show zu sich nach Hause verlegt, die wahren Stars sind dabei jetzt seine Töchter. Ich liebe diese Hymne für eine Strategie im Kampf gegen Covid-19: „Don’t Stand So Close To Me“ von Jimmy Fallon, Sting & The Roots mit At-Home Instruments:

Jimmy Fallon wurde dann auch gleich während einer Sendung von Lady Gaga als Host für ihren Charity-Livestreaming-Event „One World – Together At Home“ von Global Citizen (WHO) angefragt. Während des sechsstündigen Streams mit so vielen Stars kamen bei den Killers viele Erinnerungen hoch und Christine and the Queens sang sich direkt ins Herz. Kurz darauf coverte die Sängerin Neil Youngs „Heart Of Gold“ – love!

Radio 1 von der BBC brachte für „Times Like These“ von den Foo Fighters neben Dave Grohl und Taylor Hawkins unter anderen Dua Lipa, Rag’n’Bone Man und Chris Martin zusammen:

Kanadische Stars wie Justin Bieber, Bryan Adams und Avril Lavigne sangen für das kanadische Rote Kreuz den Bill Withers Hit „Lean On Me“. Fast zu kitschig.

Keinen Gesang, dafür sehr schönen Tanz in sehr privaten Locations in Paris und anderswo in Frankreich zu Prokofjews „Romeo und Julia“, realisierte Cédric Klapish mit Tänzerinnen und Tänzern der l’Opéra de Paris. Ach Paris, deine Dächer, Räume und Menschen. Und ach, Oper.

Als der Film „Donnie Darko“ 2001 im deutschen Kino lief, lief kurz danach der Song „Mad World“ in der Version von Michael Andrews und Gary Jules auf Dauerschleife bei meiner Mitbewohnerin. Er passte damals so, und er passt heute noch besser, in diese verrückten Zeiten. Curt Smith von Tears For Fears hat das Lied seiner Band von 1982 jetzt in Quarantäne mit seiner Tochter Diva neu eingespielt. Die sieht nicht nur ihrem Vater wahnsinnig ähnlich, sondern kann auch Musik:

Nicht fehlen darf bei den Liedern fürs Jetzt – „Ein Lied für Jetzt“ von den Ärzten. Das mögen meine Kinder am liebsten.

Und welches Lied kriegst du jetzt nicht mehr aus dem Kopf?

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Das ist jetzt unser Leben

4. Woche: Die Nacht war okay, nicht zu früh aufgewacht, nicht zu viel und intensiv von Corona geträumt. Nicht so wie in den Nächten davor. Und ich widerstehe dem ersten Impuls, sofort mein Telefon von nebenan zu holen und bei Twitter zu lesen, die neuen Zahlen, die neuen Artikel, die neuen Schrecken. Stattdessen seit Tag 17 des Shutdowns nach dem Aufwachen: #morningpages, inspiriert von Doris Dörrie auf Insta. 10 Minuten schreiben ohne zu denken, ohne zu unterbrechen, ohne zu korrigieren. Über etwas ganz anderes, etwas Erinnertes. Das tut so gut. Die Kinder sind schon wach, ab 8 Uhr dürfen sie auf dem Tablet etwas gucken bis wir frühstücken – das gibt es sonst nur am Wochenende. Es ist kein Wochenende. S. geht entweder ins Büro oder bleibt im Home Office, wir besprechen, wann er wieder da ist und was wir dann noch machen, ob ich Termine habe und wann er die Kinder nehmen kann. Elternorganisation wie immer und doch anders.

Meistens scheint in diesen Tagen die Sonne. Ein unglaublicher Kontrast zu dem eigentlich verhangenem, vernebelten, irrealen Gefühl seit Corona in der Stadt ist. Sonne, das ist Leben. Die Natur knallt durch da draußen, alles sprießt, alles blüht. Und dazu knallblauer Himmel. Wirklich fast jeden Tag, seitdem am Freitag, dem 13. März verkündet wurde, dass ab 19. März Schulen und Kitas geschlossen sind, um die rasante Verbreitung von Covid-19 zu verlangsamen. Beginn des Shutdown. Und meine Kinder lesen den passenden Comic:

Die beiden sind noch ganz gut drauf. Noch. Sie sehen ihre Freundinnen und Freunde nicht mehr (außer über den Bildschirm), hängen viel zu sehr zusammen, miteinander und mit uns. Sie haben nicht einmal eine Auszeit, so wie wir das haben können, entweder im Büro oder auf einem Spaziergang, im Auto oder auf dem Fahrrad. Mal alleine sein. Welch ein Luxus. Alles ist später geworden, das Aufstehen, das Frühstücken, das Anziehen, das Fertigmachen. Egal. Doch kurz Twitter und die wichtigsten Nachrichten checken, Artikel in neuen Fenstern öffnen, es werden immer mehr, die ich lesen will und doch nicht schaffe. Später vielleicht. Erstmal Vorschule und Schule (und bitte keine Corona-News-Panik). Wenn denn dann alle fertig sind. Der 6-Jährige hat schon sämtliche Vorschulblöcke durch, die 10-Jährige kriegt per Email immer wieder neue Aufgaben von den verschiedenen Fachlehrenden. „Mama, was muss ich da machen?“, „Mamaaaaa!“ „Mama, das Heft ist voll!“ Doch, es geht ganz okay. Zwischendurch weiter Twitter auf dem Handy, weiter Nachrichten, weiter über andere lesen, denen es so verdammt viel beschissener geht als uns in unserer Coronazeiten-Blase. Und doch sind da so viele Ängste…

Malvorlagen von Dieter Braun

Gegen Mittag reicht es dann. Raus. WIR MÜSSEN RAUS! Zum Glück haben die Nachbarn noch ein riesiges Trampolin in unseren kleinen Garten gestellt, als alles los ging. Wir wechseln uns ab mit den Kindern, damit die auch nicht mehr zusammen kommen. Vorher und nachher 20 Sekunden Händewaschen, zwei Mal Happy Birthday. Das Lied wird hier jetzt so oft gesungen wie mir mein ganzes Leben nicht. Raus ist die Rettung. Auch wenn es wieder Streit gibt, wenn wieder eine besser ist als der andere oder andersherum. Egal. Wir müssen jetzt raus. Und dann hopsen die beiden und ich werfe sie ab mit dem Ball und sie hopsen noch weiter während ich auf mein Handy linse, weiter die Fenster abarbeite, die ich morgens geöffnet habe, und dann kommt ja auch bald der Podcast mit Drosten, Pflichtprogramm. Wenn es gut läuft, höre ich ihn später während meines Spaziergangs über den Friedhof. Da ist es so ruhig und leer wie nirgends sonst. Jetzt, wo die Menschen Zuhause bleiben sollen, sind die Parks und Grünflächen voll. Die Spielplätze sind zu, aber der Frühling ist da und alle müssen raus damit sie nicht durchdrehen. Mir ist es oft zu voll. Wenn es gut läuft, kommt S. bald nach Hause oder wir wechseln uns Zuhause ab und ich kann alleine raus. Meine Rettung. So oft.

Was essen wir denn heute? Die Essensplanung hat einen ganz großen Raum eingenommen, ich zeichne Pläne und schreibe auf, was es wann geben könnte, was dann noch fehlt, was wir da haben. Wir wechseln uns ab mit Einkaufen, je nachdem, wie es in den Tages- und Arbeitsablauf passt und ob Markt ist, was wir genau brauchen und wer Auto oder Rad fährt – und wir gehen so selten wie möglich. Deshalb ist es immer ein Rieseneinkauf. Wir essen aufwändiger und immer Zuhause. Das ist sonst auch nicht so. Uns fehlen die Restaurants und Imbisse, vor allem mir fehlen die Cafés und kleinen Läden. Zum Glück kann man manchen von ihnen auch in diesen Corona-Zeiten helfen.

Am ewigen Sonntag gibt es auch unter der Woche fast jeden Tag Kaffee und Kuchen. Seit ein paar Tagen gehen wir nur noch mit Stoffmaske zum Einkaufen oder dahin, wo mehrere Menschen sind. Auch zum Bäcker. Ich muss ein bisschen lauter sprechen, damit ich den richtigen Kuchen in die Tüte kriege, weil man mit Stoff vor dem Mund nicht so gut verstanden wird. Beim ersten Mal war es noch echt komisch mit der Maske in der Öffentlichkeit, von Mal zu Mal wird es aber besser. Letztens waren da vor dem Bioladen noch eine Frau mit Maske und ein Mann mit Maske rief ihr und mir zu: „Ein Maskengruß geht an Euch, vorbildlich macht Ihr das! Noch einen schönen Tag!“ Ich lächelte ihm durch die Maske und mit den Augen zu und rief: „Für Sie auch!“ Das war schön.

Wenn es gut läuft, schaffe ich dann noch was für mich. Schreibtisch abarbeiten, Emails beantworten, Ideen werfen und manche wieder verwerfen. Yoga machen. Ukulele spielen. Schreiben. Oder wir unterhalten uns mit den Kindern, wie es sonst nur im Urlaub passiert. Mit viel Zeit und Geschichten von früher und ganz viel Lachen. Spielen zusammen, kruschteln so rum, basteln, bauen, werkeln etwas. Wenn es nicht so gut läuft, geht jeder in sein Zimmer, hört etwas für sich, liest etwas, spielt etwas, ärgert sich etwas. Mal ist ein Tag schlechter, mal ist er besser. Zwischendurch Nachrichten mit den Großeltern und Freundinnen und Freunden lesen und verschicken. Nachfragen wie es geht. Jeden Tag jemand anderen oder auch mehrmals die gleichen. Freundschaften sind so gut und so wichtig. Gerade in diesen Zeiten. Und es fehlt mir so, meine Freundinnen zu sehen und zu umarmen, einmal die Woche skypen oder facetimen oder zoomen wir und fühlen uns dann wieder normaler. Vor allem, wenn uns allen die Corona-Decke auf die Köpfe fällt.

Am Wochenende – also wirklich am Wochenende – fahren wir raus. Das ist das Beste. Das Tipi in dem einen Wald weiterbauen, über die Wiesen bei dem anderen Wald gehen oder die Kinder mit einem Pfad an den Wasserbüffeln vorbei in die Natur locken. Schwimmbad, Westernstadt, Strandbad, Wildpark, alles hat zu. Aber auch im Wald tummeln sich mehr Menschen als sonst, mal wird auf den Abstand geachtet, mal nicht. Und darauf wird geachtet. Es ist eben irgendwie alles anders in dieser Zeit.

S. und ich reden viel, viel über Corona, auch wenn die Kinder im Bett sind. Und manchmal auch gar nicht. In seinem Job kommen neue Probleme mit dem Lockdown, es ist erschreckend und bedrückend. Wir schicken uns täglich Artikel hin und her, die wir interessant und gut finden. Manchmal ist es aber auch zu viel. Dann hilft nur Spielen (er) und Netflix (ich) oder Lesen – oder gar nix (wir). Das ist jetzt unser Leben. Mal sehen, wie lange es noch so geht.

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Und dann das Meer

Manchmal stelle ich mir vor, gleich hinter den Häusern beginnt das Meer. Im Fernsehturm spiegelt sich das Blau, hinter den Platten erhebt sich die riesige Fluke eines Wals, an den Straßenrand schwappt die nächste Welle. Und ich mittendrin.

So wie gerade noch, im Norden. Jeden Morgen, nach dem Frühstück, Kind abgegeben, Sachen gepackt. Mit den anderen Frauen zum Strand, einen Kreis gebildet, aufgewärmt durch die anfeuernden Worte der Therapeutin, die sportliche Betätigung und die Norderneyer Rakete (wer jetzt weiß, was gemeint ist, kann sich freuen;). Atmen. Eine Frage noch und dann kurz darauf das Kommando: „Was sagt Dir das Meer?“ und „Ausziehen!“

Schon allein die Luft an der Haut wirkt wie ein kleiner Schock. Gefühlte minus drei Grad wird später auf der Urkunde stehen, auf die ich wirklich stolz bin. Und dann: ins Meer. Erst nur mit den Füßen und schließlich jeden Tag ein Stück tiefer, ein Stück weiter. Je nach Wetter- und Wellenlage durchaus eine Herausforderung, für 40 Sekunden oder etwas länger dem Wasser Hallo sagen und weiter atmen, auch wenn der Atem stockt. Ein, aus.

Das High danach ist unvergleichlich, weil komplett natürlich. Es geschafft zu haben ist das Eine. Das, was im Körper passiert, das Andere. Endorphin, Serotonin, Dopamin, Adrenalin, you name it. Und so trafen sich ein paar von uns jeden Morgen auch ohne Therapeutin und mit den Kindern auf Norderney zur sogenannten Abhärtung. Es ist das, was mir am meisten fehlt: Das Meer. Von dem ich aber auch so viel mitgenommen habe, in die große Stadt.

ZUHAUSE

Wo ist Dein Zuhause? Da, wo Du lebst? Da, wo Deine Liebsten sind? Da, wo Dein Schlafsack ist? Da, wo Du herkommst? In Dir drinnen?

Zuhause. Ich suche es (wieder).

Geboren in Hamburg, drei Jahre da. Dann Gelsenkirchen-Buer. Sieben Jahre. Dann Leverkusen. Acht Jahre. Dann ein Jahr lang Paris und Südostasien. Und dann Berlin. Erst ein paar Monate in der einen WG, dann acht Jahre in der nächsten – zwei Wohnungen, vier Mädels, Kohleöfen, Campingdusche, Prenzlauer Berg, wichtige Jahre. Zuhause! Und das genauso lang wie in dem Haus mit meinen Eltern, damals, als ich ein Teenie wurde, Dirty Dancing liebte und dann Keanu Reeves (der ist ja heute auch wieder cool). Zwischendrin: Paris revisited. Erasmus.

Bis schließlich alles endete, das Studium, die Beziehungen, der unsanierte Zustand der Wohnung, ja, und leider auch die Freundschaften. Irgendwie. Und dann kam der Übergang. Der war bestimmt auch vorher schon mal da, aber jetzt spürte ich ihn, so richtig. Ein Zimmer in Kreuzberg, für mich alleine. Vier Jahre. Journalistinnenjahre. Zuhause? Im Job ja, in der Wohnung nein. Nicht so richtig.

Und dann Friedrichshain, mit der Liebe, der Hoffnung und dem Kinderwunsch. Erst eins, irgendwann zwei, doch keine drei. Wir blieben elf Jahre. Die längste Zeit meines Lebens, die ich in einer Wohnung lebte, in einem Zuhause. Kein Wunder, dass es so schwer fällt, zu gehen. Und das Zuhause hinter sich zu lassen (erzwungener Maßen #Mietenwahnsinn #Verdrängung). Um ein neues zu finden. Vielleicht in der neuen Wohnung, vielleicht woanders.

Es sind die kleinen großen Dinge

Der Blick in die Kastanie vor dem Schlafzimmerfenster, die Holzdielen mit den vielen Astlöchern und die gelben Stühle auf dem Balkon. Überhaupt der Balkon…

Es sind die kleinen großen Dinge, die mir fehlen werden, wenn wir hier ausziehen. Hier, aus dieser Straße mit quietschenden Straßenbahnschienen und mittlerweile groß gewachsenen Bäumen, hier, aus diesem Haus, das eine sehr besondere Gemeinschaft hatte und hier, aus dieser Wohnung, in der ich die längste Zeit meines Lebens gelebt habe.

In der meine Kinder nicht direkt geboren aber doch von Anfang an aufgewachsen sind. Ihre ersten Schritte gemacht haben, ihren ersten Brei gemanscht, ihr erstes Bad auf dem Balkon genommen, ihre ersten Wörter gesprochen haben.

In der ich jede einzelne quietschende Diele kenne und mich auch zurecht finde, wenn es stockdunkel ist. In der der Blick aus dem Bad unschlagbar ins Grün geht, das ich über so viele Jahreszeiten beobachten konnte. Mal war das Fenster komplett verdeckt, im Winter ging der Blick weit durch die Bäume hindurch in die hell erleuchteten Fenster des Hauses in der Querstraße.

Es sind die kleinen, großen Dinge, die mich jetzt schlucken lassen, wenn ich mir klar mache, dass es die letzten Male sind, in denen ich sie ansehe, wahrnehme, spüre, rieche, höre. Die Stille in der Nacht, obwohl wir mitten in der Stadt sind. Die Musik von unten, wenn der Nachbar leise probt. Der frisch geputzte Flur jeden Mittwoch. Die spielenden Kinder im Hof.

Nächsten Monat ziehen wir aus. Nach 11 Jahren – wegen Verdrängung mehr oder weniger unfreiwillig. Und mit vielen kleinen und großen Dingen im Gepäck und im Herzen.

Sick and sad

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Was für ein Dezember, was für ein Januar. 

Im Zeichen der Trauer und im Zeichen der Grippe, mal hier und mal da, im Zug hin und her, durch Wind und Regen, an seinem Bett, und draußen fällt der Schnee.

In der vollen Kirche, das Bild von einem Schiff, unterwegs zu einem uns unbekannten Hafen, Ahoi und gute Reise, wir lieben Dich.

Im Bett und am Schreibtisch, viel um die Ohren, und Schmerzen darin. Das große Kind an der Seite, im Zug nach dem Sturm, wird zum Blumenmädchen, an dem Baum da im Wald.

In Gedenken an ihn, mit Liebe im Herzen, und Tränen die laufen, jeden Tag noch ein bisschen. Orangen und Ingwer, jeden Tag frisch gepresst, sie machen es besser, hoffentlich.

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Demenz – und weg?

Ein so bewegender Film, auf so vielen Ebenen. Weil Demenz ein großer Teil unserer Gesellschaft ist, auch wenn man sie am liebsten weg haben will. Weil es so verdammt viele verschiedene Formen gibt und neben älteren auch jüngere Menschen treffen kann. Und weil Pflegeheime zwar eine Riesenhilfe aber eben auch nicht aus der Welt sind. Mich bringt er zum Weinen, weil er so nah dran ist.

Film von Eugen Merher (und nicht offiziell von Adidas)